Bei der Präsentation des Buches "ArbeitnehmererInnen 50+" bei den Denkräumen St- Lambrecht ging es um Chancen Älterer am Arbeitsmarkt. Die Diskutanten am Podium machten vor allem aber auch auf die Schwierigkeiten bei der Jobsuche durch Vorurteile in Gesellschaft und Unternehmen aufmerksam.
Es sei die Kombination aus einem Lebensalter über 50 und einer mehr als einjährigen Arbeitslosigkeit. Diese Personengruppe bereitet dem Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, bei der Jobvermittlung das größte Kopfzerbrechen. Diese Kombination sei "gefährlich". Zur Bewältigung dieser Situation "fällt uns allen nicht viel ein", räumte Kopf ein und meinte damit keineswegs nur das AMS, sondern auch Politik und Experten.
Anlass für diesen Befund war die Vorstellung des im Manz-Verlag erschienenen Buches "ArbeitnehmerInnen 50+" im Rahmen der Denkräume der Denkwerkstatt St. Lambrecht am Dienstagabend in Wien. Unter der Herausgeberschaft des Universitätsprofessors für Arbeits- und Sozialrecht an der Linzer Kepler Universität, Reinhard Resch, haben 19 Autoren versucht, speziell auch Chancen dieser Altersgruppe aufgezeigt. Dabei wurden vom Förderrecht bis zur Arbeitspsychologie unterschiedliche Aspekte beleuchtet.
AMS-Chef Kopf: "Die Einstellung älterer Arbeitsloser ist leider noch kein Modetrend"
Auch AMS-Chef Kopf strich bei seinem Diskussionsbeitrag Positives hervor. So sei die Zahl der älteren Beschäftigten zwischen 2008 und 2017 um 57 Prozent gestiegen. Das war eine Folge der Demografie mit mehr Menschen über 50 Jahren. Allerdings betonte er im nächsten Satz, dass auch die Arbeitslosigkeit bei Älteren um 134 Prozent gestiegen sei.
Dabei gebe es in den Betrieben sehr viele Menschen, die im Alter 50 plus seien und auch angesehen seien. Kritisch wird es für diese Menschen jedoch dann, wenn sie für längere Zeit ihren Beruf verloren haben. "Die Einstellung älterer Arbeitsloser ist leider noch kein Modetrend", bedauerte Kopf. Als Begründung führte er an, dies habe stark mit Vorurteilen zu tun. Das betrifft vor allem deren Leistungsfähigkeit. Deswegen müsse nach Ansicht des AMS-Chefs in dem Punkt angesetzt werden: "Es geht wirklich um die Bekämpfung von Vorurteilen."
Unterstützung gab es für Kopf auf dem Podium von einem Mediziner, dem Leiter der Klinischen Abteilung für Neurologie am Universitätsklinikum Tulln der Karl Landsteiner Privatuniversität, Walter Struhal. Sein Befund lautete, es gebe "eine sehr auf jugendlich getrimmte Gesellschaft". Dieser "Jugendkult" wird zum Problem für ältere Arbeitnehmer, speziell dann, wenn sie krank werden. Das führe dazu, dass Betroffene früh in eine Schiene kämen, dass sie dann halt "in den Ruhestand gehen" sollten. "Wir stehen in einer Leistungsgesellschaft, wo man jederzeit leistungsfähig sein muss, aber nicht sein kann", stellte Struhal fest. So könnten manche Erkrankte drei Stunden lang ihre volle Leistung bringen, aber dann müssten sie eine Pause machen.
Ältere Arbeitnehmer und Menschen seien zwar nicht mehr so schnell wie Jüngere, räumte er ein, aber dafür könnten sie dank ihrer Erfahrung Einschätzungen im Kontext der Arbeit besser treffen. "Diese Ressource wird zu wenig geschöpft", diagnostizierte der Neurologe.
Kritikpunkt an Aktion 20.000: "Es war nicht Arbeitsmarktpolitik"
AMS-Chef Kopf nahm im Rahmen des Diskussionsabends auch eine bemerkenswerte Differenzierung im Hinblick auf die Aktion 20.000 vor. Mit dieser werden ältere Arbeitslose unterstützt, die vor allem in Gemeinden nach längerer Arbeitslosigkeit einen Anknüpfungspunkt an das Arbeitsleben fanden. Die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung hat diese Aktion unter massiver Kritik der SPÖ heuer gestoppt. "Es war für mich nicht Arbeitsmarktpolitik, das war mein Kritikpunkt", strich Kopf hervor. "Das heißt nicht, dass das falsch ist", aber es handle sich dabei um Sozialpolitik. Diese werde eben nicht aus AMS-Mitteln gespeist.
Struhal hob hervor, es gebe Unterschiede je nach Geschlecht bei Älteren. So habe man bei Schlaganfällen die Entwicklung, dass diese Männer in der Vergangenheit in früheren Lebensjahren betroffen haben als jetzt. Bei Frauen mache sich etwa bemerkbar, dass diese mittlerweile häufiger Raucherinnen seien, was das Risiko erhöht.
Betreuung dementer Menschen droht zur Belastung für Frauen zu werden
Auf eine bevorstehende bedrohliche Entwicklung machte der Tullner Facharzt zusätzlich aufmerksam. Dabei geht es um die Betreuung der zunehmenden Zahl demenzerkrankter Menschen. Diese Betreuung werde derzeit hauptsächlich von Frauen geleistet, was eine zusätzliche Belastung für diese darstellt. Das werde "eine große Herausforderung für die Zukunft sein", warnte Struhal.
Herausgeber Resch hatte eingangs betont, ihm sei es bei dem Buch darum gegangen, mit den 19 Autoren einen großen Bogen über das Thema der Arbeitnehmer über 50 zu spannen. Unter anderem wies er auf seinen eigenen Beitrag hin. Dieser beschäftigt sich auch damit, dass es nicht nur eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gebe, sondern auch Belästigung und Diskriminierung aufgrund des Alters. Gleichzeitig hat Resch auch als Schwerpunkt die Pflichten älterer Arbeitnehmer gegenüber ihrem Unternehmen in dem Handbuch herausgearbeitet.
Presseinformation DENKWERKSTATT
(6.6.2018)